Künstler sind für uns auch Lebenskünstler und sehr krisenresistent.
Uns war es sehr wichtig, dass es nicht einfach nur eine Dokumentation über Künstler wird. Wir wollten für diese Überlebenskünstler einen professionellen Raum öffnen, in dem sie zu Wort kommen können. Wir freuen uns, wenn es »Anderen«, die auch über den Tellerrand schauen, vielleicht Mut macht, einige Schritte weiter zu gehen.
Kerstin, hattest du eigentlich am Anfang ein Bestreben, dass dieses Projekt perfektionistisch umgesetzt werden muss?
Oh ja, Coco .. ich wollte etwas ganz Besonderes machen. Ich weiß einfach, dass Künstler es von Anbeginn ihrer Laufbahn schwer haben, weil da in erster Linie die Kreativität im Fokus steht und nicht das Geschäftliche. Später kommt erst die Frage, wie verdiene ich meinen Lebensunterhalt. Und da fängt es dann an, dass Künstler erfinderisch werden.
Also ich nicht. ich dachte von Anfang an, wir reden mit unglaublich vielen Menschen, die auch noch sehr verschieden sind, über ihre Lebensweise und ihre Erfahrungen während der Pandemiezeit. Ich war mir ganz sicher, dass in diesen Interviews Unsicherheiten zutage kommen und skurile Geschichten erzählt werden. Ich bin mit manchen Künstlern eng befreundet und weiß daher aus früheren Gesprächen, dass dramatische Veränderungen nötig sind. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir diese ganzen Abenteuer in eine geordnete Form pressen können.
Und wie ist es jetzt eigentlich geworden?
Anfangs waren wir noch sehr befangen und dachten, wir müssten eine Form finden und einen Plan erfüllen. Dann dachte ich: wie wunderbar, wenn jeder Text ganz individuell und authentisch jedem Künstler entspricht und dadurch eine schöne Lebendigkeit entsteht. Das ist ja dann auch schon allein durch die verschiedene Herangehensweisen passiert. Einige waren schnell und hatten einen Text „in petto“, Andere suchten ein Gespräch. So haben wir Interviews verschiedener Art organisiert. Einige Kunstschaffende haben wir in ihren Ateliers besucht, Andere kamen zu uns nach Schwerin ins Kunstkaufhaus. Mit den Meisten sprachen wir in einer Videokonferenz.
Ha! .. also doch richtig perfekt unperfekt .. Ich bin jetzt auch erstaunt, wenn ich die einzelnen Berichte lese, was dort nach den stundenlangen Gesprächen zum Schluss steht! Manchmal waren die Interviews ganz berührend und dann kam »ES« im Text nicht wirklich rüber. Plötzlich kamen zusätzliche Texte von einzelnen Künstlern, in denen etwas auf wunderbare Weise erzählt wurde, was im Zoom-Meeting ganz unbedeutend klang. Es ist auf jeden Fall schwer, Gefühle im geschrieben Wort nachvollziehbar zu formulieren. Ich übersetzte diese normalerweise ins Metall! Das gehört für mich unter die Kategorie: Natürlich kann jeder mit dem Handy einen Film drehen. Ob er Meisterklasse wird, fragen wir mal einen der großen Regisseure. Natürlich kann auch jeder Texte schreiben …. naja… echte Schriftststeller.. sind eben echte Schriftsteller!
Aber – Nun? Coco .. Wo sind wir angekommen?
Wir stellten immer mal die Frage: Soll es wie vorher oder wie nachher werden? Das beantwortet sich ja eigentlich von selbst. Dennoch kann diese provokative Frage zum Denken anregen.
Es ist, als hätte jemand einen Schleier weggezogen…
…Wenn ich mit Menschen spreche, die ich nicht kenne, dann denke ich: wow, es passiert so viel. Aber: Ihr wisst alle nicht, was in mir passiert. Was ich denke, steht in keiner Zeitung. Ich weiß auch nicht, was in euch passiert oder was mit den anderen Menschen um uns herum geschieht. Wir wissen es einfach nicht! Und Diejenigen, die gerade so sehr laut sind, das sind vielleicht die, die am wenigsten zu sagen haben – Holzköppe? Werden wir manipuliert? Immer mehr Menschen begegnen mir, die sagen, ich muss mich auf mich selbst und auf mein Herz verlassen. Diese Veränderung könnte ja schon in millionen Menschen vor sich gehen und wir wissen gar nichts von ihnen. Wir können es nur ahnen.
Und es ist gut so, wie es gerade ist. Das ist der momentane Stand der Dinge! – Aber es kann immer weitergehen. Wir können diesen Raum hier nutzen, um weiterzuerzählen! In den folgenden Beiträgen bekommen sie einen Eindruck, wie es dreißig, überwiegend in Mecklenburg lebenden, Künstlern ergangen ist.