Begleitworte zu Künstler in Krisenzeiten

Im Projekt Hochschule in der Region verantworte ich den Dialog zwischen Hochschule und Gesellschaft bezogen auf Kunst und Kultur. Damit ging ich für die Hochschule neue Wege. Es galt Kunst in der Hochschule zu integrieren, sich mit Kultureinrichtungen zu verbinden und Gemeinsamkeiten aber auch neue Fassetten zu entdecken. Ich rannte förmlich offene Türen ein. Schnell waren Kulturkooperationen und Ausstellungen in der Hochschule möglich – ein Dialog entfacht. Jäh brach er ab und ich fand mich nicht mehr in Ateliers und Schlössern wieder, sondern saß am heimischen PC um in Kachelgesichter zu blicken. Zwei Jahre digitaler Dialog, zwei Jahre Ratlosigkeit und der Versuch Verbindung zu halten.  So wurde aus dem Dialog ein immerwährendes Abwägen »was geht, was geht nicht«– gemeinsam suchten wir Schlupflöcher, in Telefonaten beriet ich in Sachen Förderung und Unterstützung.

Das der Verein sieh+mal sich dem Thema Krise, Krisenzeiten und dem Umgang damit annahm, fand ich, als ich 2020 erstmals davon hörte, sehr mutig. Während ich noch nach Möglichkeiten suchte, den eben begonnenen Dialog nicht abbrechen zu lassen, waren Coco Radsack und Kerstin Baarmann offenbar schon unterwegs zu den Künstlern. Sie entfachten einen Dialog über Leben in besonderen Zeiten aus der Perspektive als Mensch, als Künstler.

Ich weiß noch, dass ich gern eingestiegen wäre in die Interviews, mein beruflich ethnografischer Hintergrund meldete sich laut und ich hatte den ein oder anderen Tipp für die Beiden parat. Dann verlor ich den Kontakt zu diesem Projekt. Jetzt, im Sommer 2022, sitze ich und lektoriere die Texte und bin beglückt so dabei sein zu können.

Der entstandenen Website und dem noch entstehenden Buch wünsche ich viele Interessierte. Den Lesern und Besuchern lege ich nahe sich respektvoll diesen sehr persönlichen Statements anzunähern.

Lassen sie sich inspirieren von dem Mut, der Kraft der Künstler und den kreativen Momenten des Lebens.

Maureen Grimm
Hochschule Neubrandenburg · Hochschule in der Region, Teilvorhaben Dialog Hochschule Gesellschaft KUNST

Das Projekt wurde 2021/2022 aus Mitteln des Europäischen Sozialfondsdas, vom Land Mecklenburg-Vorpommern und durch die Stiftung für Ehrenamt und bürgerliches Engagement.gefördert.

 

EU
MV
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Freie darstellende Künste in Mecklenburg-Vorpommern
Eine Bestandsaufnahme

E X Z E R P T
Stand: November 2020
In Mecklenburg-Vorpommern (MV) gibt es 38 professionelle Bühnen.
90 % haben ihren Standort im ländlichen Raum und arbeiten solistisch (53 %) oder im Duo (32 %). Lediglich 15 % der freien darstellenden Künstler*innen sind ständig oder projektgebunden in Gruppen mit mehr als 3 Personen organisiert. 95 % der Bühnen sind überwiegend mobil. Ein auffallend großer Teil agiert im Genre des Puppen- und Figurentheaters (ca. 52 %). Nur 5 % der Bühnen betreiben eine eigene Spielstätte.
Der Altersdurchschnitt der Künstler*innen in MV liegt über 50 Jahren.
66% der Bühnen sind auch außerhalb MV, überregional und bundesweit aktiv.
50 % der Bühnen inszenieren ausschließlich für Kinder und Familien
45 % der Bühnen inszenieren für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
5 % der Bühnen inszenieren ausschließlich für Erwachsene
Freie darstellende Künstler*innen in MV arbeiten und produzieren zumeist ohne jegliche Fördermittel, da eine erfolgreiche Antragstellung aufgrund der derzeitigen Antragsvoraussetzungen nicht möglich oder nicht zu erwarten ist.
2019 wurden durch das Kultusministerium MV nach offiziellen Angaben Projekte der freien darstellenden Kunst in MV mit einem Betrag von 350.350 € gefördert:
65,65 % ≙ 230.000 € (Doppelhaushalt 2019/20, 2020/21) für Schloss Bröllin als
Leuchtturmprojekt
34,35 % in Anteilen; LaFT MV (9,25 %), Festivals (8,85 %), Amateur- und Schultheaterprojekte
(6,4 %), Theater der jüdischen Gemeinde (2,28%) und NPN-Auftrittsförderung (2,15 %)
nur 5,42 % der Förderungen gingen an 2 Projekte der freien darstellenden Künste
(1x mit 15.000 €/ 1x mit 4.000 €)!
Zusätzliche Kulturfördersonderprogramme des Landes decken den Bedarf an Förderungen in keiner Weise ab.
Die von den Landkreisen zur Verfügung stehenden Etats sind sehr gering, nicht klar definiert und nur punktuell unter großem Zeitaufwand in den Haushalten der Landkreise zu finden. Die Kreiskulturämter sind personell unterbesetzt; vielerorts trifft man auf auskunftsunsichere Mitarbeiter*innen.
Etwas besser ist die Situation der beiden kreisfreien Städte Rostock und Schwerin.
Dem Wunsch der Künstler*innen nach mehr Entwicklung, Kooperation und der Umsetzung von innovativen Projekten für Land und Menschen wird durch die bestehenden Förderstrukturen auf Bundes-, Landes- und Landkreisebene nicht Rechnung getragen.

Leerstellen / Bedarfe

Die beschriebenen Strukturschwächen in MV sind auch eine Folge der Nichtbeachtung in der bundes- und landesweiten Förderpolitik der vergangenen Jahre. Der Ländliche Raum mit all seinem kreativen Potential der freien darstellenden Künste muss dringend in den Fokus der bundesweiten Förderungen einbezogen werden, auf der Basis einer geänderten Wert-Schätzung und einer stärkeren Berücksichtigung der infrastrukturellen Besonderheiten des kulturellen »Hinterlandes«. Es werden Modelle der Anschluss- und nicht der Ausschluss-Förderung benötigt.

1. UNTERSTÜTZUNG DER SOLO- und DUO-KÜNSTLER*INNEN
Diese bilden das Rückgrat der Kulturlandschaft in MV und erreichen durch konsequente Basisarbeit und mit erstaunlich hohen Zuschauer*innenzahlen ihr Publikum im ländlichen Bereich jenseits urbaner Zentren. Sie sind Expert*innen für die Erschließung neuer Spielorte und kreieren gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort Projekte, bei denen sie partnerschaftlich mitwirken.
Durch diese besondere Struktur nehmen die Einzel-Akteur*innen der freien darstellenden Künste in MV einen Sonderstatus ein.

2. UNTERSTÜTZUNG FÜR SPIELSTÄTTEN
COMPAGNIE DE COMÉDIE in der BÜHNE 602 /ROSTOCK
In MV hat die Compagnie de Comédie ein Alleinstellungsmerkmal, prägt maßgeblich das kulturelle Leben in Rostock und hat sich als wesentlicher Bestandteil der Kulturlandschaft in MV etabliert. Vier bis fünf eigene Inszenierungen werden pro Jahr realisiert.
Die Compagnie de Comédie ist Kooperationspartner*in und Spielstätte für die freien darstellenden Künste aus MV sowie Mitveranstalter*in diverser Festivals (u.a. Kabarettfestival Koggenzieher, SpielLustFestival, Nachwuchs Theaterfestival FREISPRUNG, Dialoge-Festival, FiSH-Festival (junger Film), Jüdischen Kulturtage u.a.)
Gefördert wird das Theater von der Hansestadt Rostock und dem Kultusministerium in Schwerin (Projektförderung). 55 % – 60% des Etats muss von der Bühne durch Einnahmen aus dem Ticketverkauf selbst erwirtschaftet werden – dieser ist in den Coronajahren massiv eingebrochen.

OPERNALE e.V.
Eine unglaublich mutige und kreative Idee feiert seit Jahren große Erfolge: Professionelle Oper auf dem platten Land als Wandertheater. Hohe Ansprüche und ein konsequenter Weg direkt zum Publikum! Als Arbeitgeber für die freie Szene, Netzwerker und Projektpartner mittlerweile unverzichtbar im Land und mit großer überregionaler Strahlkraft. Durch die Covid 19 -Pandemie droht der Verlust aufgebauter Strukturen durch einen Einbruch in der Kontinuität. (Projektpartner, Spielorte, etc.)

SEEBÜHNE HIDDENSEE – MARITIMES KAMMERTHEATER Die Seebühne Hiddensee wurde 1998 gegründet und ist ein privat betriebenes Puppen- und Figurentheater (Karl Huck) mit einem Spielplan von ca. 300 Vorstellungen im Jahr. Die Seebühne Hiddensee ist ein Privattheater und erhält aktuell Projektförderung des Landes MV.
VEREIN KULTURKOSMOS MÜRITZ e.V.: Theaterfestival at.tension
Weit über Landesgrenzen hinaus bekannt ist das at.tension Theater-Festival. Als Innovationsmotor und Erprobungsort für interdisziplinäre Theaterformate bildet at.tension die große Vielfalt zeitgenössischer Theaterkunst ab. Ins Land zurück koppelnd und nach außen strahlend ist der Flugplatz Lärz ein unverzichtbarer Kulturort geworden.

3. UNTERSTÜTZUNG DER NETZWERKARBEIT
Der LANDESVERBAND DER FREIEN THEATER MV e.V. ist das einzige Netzwerk in MV zur Bündelung, Unterstützung und Entwicklung der professionellen freien Theater. Das Engagement dieses Berufsverbandes in alle Richtungen hat seit mehr als 20 Jahren eine Szene gestärkt, die kollegial, vielfältig und kooperativ agiert. Die verbandseigenen Festivals und Projekte sind eine Antwort auf die steigenden Bedarfe an professionellem Theater abseits der »festen« Häuser. Sie dienen ebenso als Orte für Austausch, Qualitätsüberprüfung und Wissenstransfer. Der LaFT MV e.V. ist DIE Verbindung der Einzelbühnen. Hier können sie sich an neuen Formaten erproben und verknüpfen. Der LaFT MV initiiert Nachwuchs-Projekte, um jungen Bühnen das Potential des ländlichen Raumes zu vermitteln. Bis heute fehlt eine hauptamtliche Geschäftsstelle.

Dieser Exkurs zur Betrachtung der Freien Darstellenden Künste in Mecklenburg-Vorpommern wurde gefördert
vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Dörte Kiehn · LaFT MV e.V.