Birte Bernstein

Geschichtenerzählerin

 

Auch das geht vorbei

Es war einmal ein Bauer, der lebte mit seiner Frau auf seinem eigenen kleinen Hof. Er bestellte das Feld, pflügte den Acker und versorgte ein paar Tiere. Sie waren zufrieden.

Eines Tages geschah es, dass der Bauer bei der Feldarbeit einen Ring fand. Einen goldenen Fingerring von außergewöhnlicher Schönheit. Muster und Gravuren verzierten den Ring, die Innenseite war blank. Der Bauer wusste sofort, dass dieser Ring etwas ganz besonderes war. Er streifte ihn auf, und der Ring passte wie angegossen. Als sei er für den Bauer gemacht. Nie wieder wollte er diesen Ring abtun – und er wollte eine Inschrift hineingravieren lassen. Eine Inschrift, die ebenso wie der Ring etwas ganz besonderes sein sollte, eine Inschrift, die immer galt.

Nun suchte er nach einem Satz, nach Worten, die immer Gültigkeit hatten. Eine Art Lebensweisheit sollte es sein. Es gibt ja diese Sprüche…

»Reden ist Silber, Schweigen ist Gold« – nein, manchmal ist es doch besser zu reden als zu schweigen!

»Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg« – und wenn nicht? Wenn es keinen Ausweg gibt? Oder keinen Willen?

»Geteilte Freude ist doppelte Freude« – jaja…

Dieser Bauer war so ein Mann, der viele Gedanken hatte. Er hatte wohl so viele Gedanken im Kopf, wie es Sandkörner auf seinem Acker gab. Nun schien es ihm, als würden seine Gedanken noch für den Nachbaracker reichen!

Er dachte und dachte…

An einem Tag brauten sich dunkle Wolken am Himmel zusammen! Der Bauer hatte es gerade noch geschafft, vor dem Unwetter nach Hause zu kommen. Nun stand er am Fenster und starrte hinaus. Es blitzte und donnerte, es krachte und stürmte. Der Regen ergoss sich kalt und ergiebig wie aus Kübeln aus dem Himmel auf die Erde. Oh je, die Ernte! Die jungen Pflänzchen! Alle Arbeit der letzten Wochen umsonst?!

Da kam seine Frau herein, sie trug das Tablett mit Teekanne und Tassen, stellte es auf dem Tisch ab und sah die Verzweiflung ihres Mannes. Da zuckte sie mit den Schultern und murmelte »Ach, auch das geht vorbei!«

Auch das geht vorbei! … Auch das geht vorbei! Das war es. Das ist, was immer gilt! Auch das geht vorbei… jeder Tag, jede Nacht, alle Freude und aller Schmerz. Jede Geburt, jedes Leben, jeder Tod. Auch das geht vorbei.

Die große Krise hatte ich nur an diesem einen Wochenende im März 2020, als »alles« zusammenbrach, der Lockdown ausgerufen wurde und hier eine Absage nach der anderen eintrudelte. Diese vielen Mails mit »es tut uns leid, aber…« waren schon hart. Ich sah alle Geld- und Kraftquellen schwinden. Denn ich verdiene nicht nur meinen Lebensunterhalt mit der Erzählkunst, es ist mir auch eine große Kraftquelle, vor einem tollen Publikum gute Geschichten zu erzählen! Und nun plötzlich nichts von allem mehr?!?!

Wenige Tage später aber meldeten sich die ersten Veranstalter (zunächst Museen und Bibliotheken in Wismar, Rehna und Lübeck, später auch Marketingagenturen aus Kiel und Hamburg) bei mir und buchten mich für Videoaufnahmen. Ich erzählte Geschichten in eine Kamera hinen, mit denen dann diverse Kanäle von social media bestückt wurden. Ab April 2020 bot ich eigene Veranstaltungen über Zoom an, live aus meiner Küche. Das war toll.

Jeden Montag hatte ich einen Auftritt, musste mich mit Programm, Klamotten und dem Setting vorbereiten und erreichte ein äußerst dankbares Publikum. Die Menschen zahlten einen Beitrag, so dass ich damit sogar ganz gut verdiente und das, obwohl keine Veranstaltungen möglich waren. Was noch toll war: das Publikum setzte sich aus Menschen aus ganz Deutschland zusammen, die sonst niemals zusammen eine Veranstaltung hätten besuchen können! Natürlich sind live-präsenz-Auftritte etwas Anderes und haben eine andere Energie. Dennoch, diese Zoom-Termine waren ein sehr großes Glück für mich in dieser Situation.

Im Sommer 2020 »brummte« es, und ich hatte sehr, sehr viele Auftritte unter freiem Himmel. Das war im Sommer 2021 wieder so, mein Kalender war so voll, wie nie zuvor. Die Wintermonate 2020/21 und 2021/22 waren sehr ruhig, aber finanziell mit diversen Corona-Kulturhilfen gut zu überbrücken.

Insgesamt bin ich bis jetzt sehr, sehr gut »durchgekommen«, und die Arbeit unter Pandemiebedingungen bescherte mir viele gute Erfahrungen. Das Beschreiten neuer Wege und die (notgedrungene) Kreativität haben mir immer wieder Auftrieb gegeben, ja Mut gemacht. Auch habe ich erlebt, wie sich in dieser Zeit ein Künstler-Netzwerk zusammengesponnen hat, das unglaublich kraftspendend war und noch ist. Ich glaube nicht, dass ich ohne Corona so viele neue Kontakte zu Künstlern und Veranstaltern geknüpft hätte. Dank der Förderungen z.B. vom Fonds Darstellende Künste, Kulturfunke Lübeck oder der Akademie der Künste Berlin wurden spannende Projekte und Kooperationen möglich, die sonst nicht finanzierbar gewesen wären (also sich nicht »gelohnt« hätten). Dazu musste ich natürlich Anträge stellen, mir Konzepte und Projekte ausdenken, meine Arbeit reflektieren und darstellen. Auch ein guter Effekt und durchaus empfehlenswert, ab und zu mal zu hinterfragen, was man eigentlich macht und warum man es so macht und nicht anders!

Alles in allem habe ich durch die Corona-Krise einen großen Auftrieb erfahren. Vielleicht klingt das manchem zu sehr nach »Hurra-Geschrei«. Ich glaube, ich hatte viel Glück. Zum einen tolle und kreative Veranstalter, außerdem Mut und Kraft für neue Ideen zur rechten Zeit, gute Kontakte und natürlich ein Publikum, das mich sehr unterstützt hat und einfach da war! Dafür bin ich total dankbar.