Sven Lange

Schauspieler

Theater Dramaukles

 

Coco  Sven, wie hast du vor der Pandemie dein Leben als Schauspieler ausgerichtet?

Sven  Ich habe viele Jahre in Rostock gelebt. 2016 bin ich mit meiner Familie nach Marlow gezogen. Anfang 2019 fand ich zufällig einen bezahlbaren Platz zum Leben auf der Insel Poel –  es entstand eine Notsituation durch die Trennung der Familie. Hier ist Raum für die Kinder und mich, sowie für meine Theater-Requisiten. Ich bin als Solo-Schauspieler unterwegs – ich spiele viel »Stelzentheater« – hauptsächlich im öffentlichen Raum, auf Straßen und Plätzen. In den Jahren 2011 bis 2019 war ich zusätzlich und vor allem oft in den Wintermonaten an der Bühne 602 in Rostock für die Märchenproduktionen auf Honorarbasis engagiert.

Coco  Das Theater ist dein absolutes Ding? Oder schreibst du noch sowas wie ein Buch oder arbeitest im Blumenladen nebenbei?

Sven  Ja, absolut! Das Theater ist mein Leben! Seit über 30 Jahren, seit der Wende, bin ich selbstständiger Schauspieler. somit jetzt seit 20 Jahren.

Coco  Was ist passierte als die Pandemie begann?

Sven  2019 hatte ich noch genügend Aufträge. Als die Schulen mit Beginn der Pandemie geschlossen wurden, war ich froh das ich meine Kinder nach der Trennung öfter bei mir haben konnte. Im Wechselmodel organisierten wir das Homeschooling, das klappte erst ganz gut. Dann dauerte das Ganze aber länger und ich musste mein zurückgelegtes Geld angreifen. Das brauchte ich nun für den Lebensunterhalt der Kindern und mich. In all den Jahren vorher nutzte ich diese Gelder für neue Produktionen oder Betriebsausgaben, beispielsweise um neue Stelzenfiguren zu bauen, neue Inszenierungen in Gang zu bringen, kurz, das Theater lebendig zu halten.

Coco  Warst Du verzweifelt oder mutig? Was nahm Dir die Kraft?

Sven   Es gab verschiedene Phasen: Kraftschübe – Jawohl, das kriegen wir hin– und echte Rückschritte – den Beruf nicht leben, nicht auftreten, alles weiter finanzieren zu können.
Auch privat brauchte ich außergewöhnlich viel Kraft –  durch die zerstörte Familiensituation und das Vermissen des alltäglichen Lebens mit den Kindern. Das alles hat Kraft gezogen.
Dann kam diese ganze Corona- Spaltung – es hat mich Irre gemacht zu merken, wie sich Familien und Freunde entzweien. Ich habe gedacht, in so einer Situation muss man doch zusammenhalten. Das ganze Zahlenrumgeschmeiße, die Panikmache, der Druck und die Angst, die manche Menschen daraus entwickelten. Vor Corona hatte ich nie Angst, ich habe es ernst genommen aber nicht überbewertet.
Nicht auftreten können – das hat mich erschlagen – es gab keinen Fluss. Es fehlte Routine. Immer wieder starten oder dann doch nicht, weil wieder abgesagt wurde. Das kostet alles Kraft.
Alle isolierten sich immer mehr. Irgendwann habe ich sogar die Medien ausgeschaltet. Jeder hat seinen eigenen Weg, das ist legitim.

Coco   Was würdest Du für ein Zeichen setzen?

Sven   Dass wir Alle aufeinander zugehen, uns gegenseitig akzeptieren, uns unterstützen und ein Miteinander auf Augenhöhe entwickeln.

Coco  Wie hast Du dich selbst zum Weitermachen motiviert?

Sven   Immer wieder mit Kraft. Da die Routine fehlte, fragte ich mich – kann ich das noch, funktioniert dies noch? Ich habe mich fit gemacht, warm gemacht, trainiert, ohne Publikum. Fragte mich, wo steht eigentlich mein Kostüm – und Requisitenkoffer?  Naja, ich habe eben durchgehalten. Später bei Auftritten lief alles wieder voller Freude und wie geschmiert.

Coco  Wie ist es ohne Publikum zu spielen?

Sven   Das ist schwierig – viele haben Videos gemacht – da waren spannende Sachen dabei. Aber irgendwann gab es so eine Flut von Filmchen und Videos, da hatte keine Lust mehr, nur noch vor dem Computer zu hängen. Lasst uns alles digitalisieren, war auf einmal überall zu hören. Damit geht doch was – NEIN, das geht eben nicht!!! Diese Einstellung ging mir einfach irgendwann auf den Sack. Als es dann im Sommer wieder möglich war, vor Publikum zu spielen, war das besonders gut und besonders schön für mich. Damals wurde in Rostock vom Kulturamt Geld für »Rostocker Straßenkultur« organisiert.  So wurden Leute, die lange nichts zusammen gemacht haben, wieder zusammen geführt und es ist echt Tolles entstanden.

Coco  Du hast in verschiedenen Projekte mitgewirkt?

Sven    Ja und auch in eigenen. Ich war dadurch finanziell abgesicherter, ich habe auch Förderungen beantragt und bekommen.

Coco  Was hat nun die Zeit der Pandemie mit dir gemacht?

Sven   Es gab verschiedene Phasen: die der Trauer, über das was alles nicht stattfinden konnte; die der Kraft und des Mut!  Die Menschen haben sich nicht mehr getroffen, manche haben andere angeschissen; ich wollte dem etwas gegenhalten!  Es gab auch Lichtblicke und Ideen, die Freude bereiteten und eine veränderte Sicht auf mein Leben ermöglichten. Zum Beispiel, habe ich hatte trotz dem Trennung echt Glück  auf der Insel, so dicht am Meer zu leben. Das Meer, die Natur hilft mir viel in solchen Zeiten.

Coco  Was hast du beruflich für Ausblicke?

Sven   Ich versuche mich sinnvoll zu beschäftigen. Der Jahresanfang war gut, es gibt neue Projekte. Ein Stück soll fertig werden.  Ich habe echte Hummeln! Alle mitarbeitende Personen müssen zusammenkommen, andere Projekte sind zu  planen. Dabei ist es immer noch schwierig »normal« zu koordinieren – keiner sagt richtig zu, keiner sagt richtig ab, immer nur halbe Sachen, weil keiner weiß, was kommt: Es kann sein – Es kann nicht sein.

Coco  Ja, das ist ja auch so ein Ding – wenn eine Stelle des gesamten Kulturbetriebes schließt – wie z.B. in Schwerin das Theater – dann kommen keine Touristen mehr, die Gaststätten bleiben leer, mein Kunstkaufhaus hat keine Gäste und die Touristenführungen und Übernachtungen sind auch weniger. Das ist eine sogenannte Kettenreaktion.

Sven   Wenn dann doch etwas stattfindet , sind die Leute gierig,  Geschichten zu hören und Theater zu sehen. Sobald aber wieder Panik verbreitet wird, ziehen sich die Leute wieder zurück. Aber im Moment kommen wieder Anfragen. Allerdings muss ich wegen der Spritkosten über andere Preise nachdenken – ich bin ja ein fahrendes Theater. Ab Mai soll es wieder richtig losgehen und wenn sich dann alles wieder schiebt, drängen sich die Termine zusammen und es wird schwierig alles zu koordinieren. Die Zeiten mit den Kindern sind mir sehr wichtig und haben Vorrang.  Wenn das gut zu organisieren ist, kommen sie auch sehr gerne mit zu den Auftritten. So kombinieren wir es einfach.

Coco  Das Geld verdienen müsste ja auch über das ganze Jahr verteilt sein.

Sven   Das wäre gut, aber oft ist es nicht so. Ich zahle am Anfang des Jahres viele Versicherungen und wenn ich keine Ersparnisse hätte, dann würde es nicht gehen. Auch die Betriebsausgaben z.B. für den notwendigen Theaterbus kommen oft dann, wenn ich noch kein Geld verdiene. Deshalb sind Rücklagen die im Rest des Jahres erwirtschaftet werden, wichtig für die auftrittslose Zeit. Aber das ist ja bei vielen Saisongeschäften so – in einer bestimmten Zeit wird Geld verdient und in der anderen Zeit wird alles notwendige gemacht für das Geschäft von den Rücklagen.

Coco   Möchtest du gerne jemand Anderes sein?

Sven   Im Privaten auf keinen Fall, als Schauspieler schon!

Coco   Was möchtest du gerne lernen?

Sven   Musikinstrumente besser zu spielen.

Coco   Wird es nach der Pandemie anders sein?

Sven   Auf jeden Fall!

Coco   Hast du während der Pandemie etwas gelernt?

Sven   Ja! Wenn fragwürdige Lösungen vorgegeben werden, Menschen diskriminiert werden, dann wird es für mich schwierig. Wir müssen gemeinsam schauen und aufeinander zugehen! Ich muss auch nicht mehr um jeden Preis alles schaffen. Klarheit, Gelassenheit und Humor habe ich als Grundsätze für mein Leben neu herausgefiltert.