Paper-Cutting-Künstler
Opernsänger · Dirigent
Eine Minute, dreißig Sekunden
Die Welt war noch heil, ohne die zweite, dritte oder vierte Welle von COVID-19 und ohne in Verwirrung bringende Namen wie Delta, Omicron, britischer, südafrikanischer oder brasilianischer Stamm, Impfgegner oder Impfbefürworter. Nach einer Abendprobe im Theater ging ich mit Hals- und Kopfschmerzen nach Hause mit dem Verdacht auf Corona. Von unterwegs berichtete ich meiner Schwester telefonisch über meinen Gesundheitszustand und dass ich einen Covid-Schnelltest brauchen würde. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht über Telefon- und Internetkanäle bei Verwandtschaft und Freunden, dass ich eventuell Covid haben könnte (erzählte mir später meine Schwester).
Alles wurde blitzschnell organisiert, ein kleiner Vorteil in einem nicht EU-Land mit weniger Bürokratie, wo man sehr flexibel und überengagiert reagiert, was ich dann auch gleich am eigenen Leib gespürt habe als man mir das Teststäbchen tief in die Nase bis zum Gehirn schob als ein Zeichen hochqualitativer Arbeit, selbstverständlich gegen Bezahlung. Na gut …
Nach meinem positiven Corona-Test tauchte am nächsten Tag eine Krankenschwester bei mir auf und verabreichte mir verschiedene Medikamenten und Infusionsbeutel. Fleißig und sorgfältig versuchte sie, mich zu heilen. Als sie merkte, dass es mir von Tag zu Tag schlechter ging und der Sauerstoffgehalt im Blut immer niedriger wurde sagte sie meiner Schwester besorgt, dass ich ins Krankenhaus müsse. Oh ja, jetzt würde es lustig werden für mich.
Die ersten Tage im Krankenhaus waren schrecklich für mich. Mit knapp 39°C Fieber, Kopfschmerzen und Sauerstoffmaske lag ich auf dem Bauch und durfte mich nicht auf den Rücken legen.Dazu ständig eingeschaltetes Licht und laute Töne vom Sauerstoffgerät. Der einzige Trost und wie Musik in meinen Ohren war der Lärm und die lauten Geräusche der Sauerstoffmaschine, die rund 11 Tage rund um die Uhr ständig gehört habe und mir mittlerweile ein Leben ohne diesen Geräuschpegel nicht mehr vorstellen konnte. So fühlte ich mich gut behütet, lebendig und positiv eingestellt.
Täglich rief meine Frau an und sprach mit mir über meine Gesundheit, Medikamente, Infusionen usw., das war eine gute Abwechslung in meinem Alltag. Irgendwann konnte ich nicht mehr sprechen und flüsterte nur noch, obwohl ich als Opernsänger sonst eine ziemlich laute Stimme habe, konnte ich am Ende nur noch ins Telefon pfeifen … immerhin noch besser als ins Gras zu beißen. Weinend überlegte meine liebe Frau zu Hause in Deutschland (wie sie mir später erzählte) wo sie mich im Falle meines Todes wohl begraben würde, in meinem Geburtsland, wo ich mich zu jener Zeit befand oder zu Hause in Deutschland. Die Deutschen denken immer sachlich würde ich mit einem kleinem Lächeln sagen.
Eines Tages kam zu mir der diensthabende Arzt mit zwei Infusionsbeuteln in der Hand und fragte, wie es mir gehe. Warum zwei Beutel dachte ich? Er schloss einen an meinen Arm an und ich fragte ihn warum er heute zwei dabei habe. Ich war schon immer ungeduldig bis ein Beutel durchgelaufen ist, es dauerte manchmal ewig bis alles durchgetropft ist und was wenn ich auf Toilette müsse? Freundlich beruhigte er mich und sagte, nur der eine Beutel sei für mich, der andere für ihn, weil er auch Corona habe und anstattt sich ins Bett zu legen lieber weiterhin den Kranken helfen wolle.
Der Toilettengang war bei mir immer recht lustig, gut reglementiert und exakt auf eine Minute und dreißig Sekunden berechnet. Ohne meine Sauerstoffmaschine wurde mir nach dieser kurzen Zeit schon schwindlig und ich bekam Atemnot. Es lief so … ich atmete einige Male reinen Sauerstoff tief ein, zog meine Atemmaske ab und ging mit kleinen Schritten Richtung Toilette während ich mit meiner Uhr gleichzeitig die Sekunden zählte. Das war jedes Mal eine Herausforderung und Ungewissheit, ob ich es in der Zeit schaffen würde oder es für mich ruhmlos auf dem Klo zu Ende gehen würde. Nachts konnte ich meist nicht schlafen, da ständig das Licht in meinem Krankenzimmer brannte und die Tür zum Flur stets geöffnet blieb, so hörte ich entweder Leute sprechen oder zur Toilette laufen. Dazu noch die mir schon ins Ohr übergangene Geräuschmusik von meinem Sauerstoffgerät. Die Nächte waren sonst friedlich und es schien mir, nichts könnte diesen nächtlichen Frieden stören. Der diensthabende Arzt und die Krankenschwestern nickten sicherlich gerade erschöpft im Ärztezimmer als plötzlich Stromausfall war. Es wurde stockdunkel und die Sauerstoffmaschine stoppte. Ich lag da und dachte das war’s, ich könne sowieso nicht um Hilfe rufen, da ich keine Stimme mehr hatte, dann dachte ich bei einem Arzt und zwei Krankenschwestern würden alle anderen Patienten auch rufen und bis ich an der Reihe wäre (mein Zimmer war das letzte auf dem Flur) wäre es sowieso zu spät. Ich dachte nur eine Minute und dreißig Sekunden ohne Sauerstoff sind verdammt wenig Zeit sogar um mich in Gedanken von meiner Frau, Familie und Freunden zu verabschieden, die Zeit wäre einfach zu knapp. Dann drehte ich mich nach Tagen zum ersten Mal auf den Rücken und bereitete mich auf die Himmelfahrt vor. Nicht einmal eine halbe Minute blieb ich im Dunklen. Meine düsteren himmlischen Fantasien wurden beendet, das Licht blendete wieder meine Augen und die Sinfonie der Sauerstoffgeräte entlang des Flures klang wie Musik in meinen glücklichen Ohren.
23.01.2022
Ich habe Glück, Künstler zu sein
Vor Jahren habe ich das Papier als Kunstform für mich entdeckt, um mich auszudrücken. Schon als Kind war ich von Scherenschnitten, die ich gesehen habe, fasziniert. Später als Erwachsener habe ich selbst angefangen, Scherenschnitte zu fertigen und zu perfektionieren. Diese Kunstform, die Cutting Art oder Paper Art genannt wird, interessierte mich nun schon seit Jahren und meine ersten Arbeiten waren eine Kombination aus Skalpell-Schnitten und Acryl-Farben. In der Cutting-Art-Szene sah ich eine unglaubliche Vielfalt von Ideen, Kunstformen, filigranen Mustern bis hin zu Skulpturen. Es beeindruckte mich sehr und motivierte mich, weiter zu machen und meinen eigenen Weg zu finden. Ich merkte, dass Künstler aus dieser Szene weltweit die gleichen Schritte, Vorzeichnungen und Ausschnitte des Papiers nutzen. Ich wollte meinen eigenen Weg gehen, ohne zusätzlichen Hilfsmittel, zugleich aber das Licht als entscheidenden Faktor nutzen. Mit mehreren zehntausenden Schnitten versuche ich, die Oberfläche vom Papier zu bestimmten Mustern zu beleben und durch das reflektierende Licht verschiedene Impressionen beim Betrachten hervorzurufen.