Susanne Gabler

Freie Künstlerin

 

call it catastrophe

Kunst und Kultur steckt in allen Bereichen des Lebens und doch spiegeln die prekären Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern eine mangelnde Anerkennung wider. Ich vermisse eine passende Wertschätzung des tatsächlichen gesellschaftlichen Beitrages, den Künstler:innen auch abseits monetärer Interessen in Kunst und Kultur leisten. Es ist unmöglich, sich unser alltägliches Leben ohne Kultur vorzustellen. Und doch war es einer der Bereiche, der von den pandemiebedingten Schließungen am konkretesten betroffen war. Die Coronakrise in der ich mich als selbstständige Künstlerin in meiner Arbeit stark zurückgeworfen wiederfand, ist aber nicht der Grund für die Probleme, mit denen ich mich seit dieser Zeit auseinandersetzen muss. Diese Konflikte existierten längst und durch die Pandemie wurden sie deutlich sichtbarer. In Notsituationen werden die Lücken eines Systems offenkundig. Mit der Krise bekamen wir die Chance, die Fehler, Widersprüche und Differenzen im System zu bemerken. Unser gewohntes Zusammenleben wurde vor Herausforderungen gestellt. Vor einen Perspektivenwechsel, der anfänglich getragen war vom Solidaritätsgefühl und viel beschworenem Gemeinschaftssinn. Der eine Unterstützung sein könnte, um unser Verhalten zu korrigieren und unzulängliche Strukturen zu verändern. Bemerkenswerterweise ist das nicht geschehen. Stattdessen gab es die Möglichkeit, schnell wieder in die gewohnten Verhältnisse zurückzukehren, zum sicheren Spatz in der Hand. Es war keine Veränderung, eher eine Pause und ein Schreck. Die Menschen wurden verschreckt. Aus dieser Unsicherheit suchten sie Halt und fanden ihn im Gewohnten. Damit reproduziert sich das einstige System. Es wächst und seine Lücken werden größer. In mir entsteht die Frage, welcher Schreck groß genug sein kann. Wann hören wir auf, ein »Post« vor dem »Hedonismus« zu verdrängen und damit nur die unbequeme Wahrheit? Ab wann verstehen wir, dass diese Veränderungen notwendig sind, statt vorübergehend und wir es deshalb nicht mehr Krise nennen können.

Gesellschaftlich gibt es viele Krisen. Zurzeit übertreffen sie sich. Die parallel existierenden Ungerechtigkeiten halten uns eng umschlungen. Wir leben mit Rassismus, Diskriminierungen, einer Klimakatastrophe, in der wir uns selbst abschaffen und werden vom Neoliberalismus bis zur Selbstzerstörung gedrängt. Das verstärkt die Asymmetrien zwischen gesellschaftlichen Schichten und investiert damit in all diese Problematiken.

Wir Künstler:innen schaffen Kunst. Dafür müssen wir vielem widerstehen. Äußeren Widerständen genauso wie inneren. Auch unsere Kunst widersteht Unverständnis, Ignoranz und sogar der Mittellosigkeit der*des Kunstschaffenden. Weil sie intrinsisch fließt, widersteht sie schließlich immer auch ihrem eigenen Ende.

Resistance is futile / Widerstand ist zwecklos beschreibt meine künstlerische Arbeit. Während uns der Widerstand oft zwecklos erscheint, stelle ich ihn vielfach in das Zentrum meiner Werke. Hinter der vordergründigen Nutzung anziehender Ästhetik und vertrauter Traditionen sind meine Kunstwerke beim nahen Betrachten als Drama erkennbar. Intendiert verursachen sie sekundär Gefühle wie Verunsicherung, Ekel, Schock und lassen die Rezipient:innen so die Unmittelbarkeit meiner Kunst erfahren. Diese Kommunikationsform ist eine Einladung, sich den inneren und äußeren Widerständen anzunähern und sie anzunehmen.

FED UP

Fotografische Serie | 2020

Die solo-selbstständigen Künstler:innen sind durch den Corona-Lockdown direkt in absolut prekäre Lebenssituationen geraten. FED UP stellt bildhaft dar, dass wir alle nur satt scheinen müssen, um unsere Ängste und Nöte bereitwillig zu verdrängen. Etwas Süßes wird uns schon beruhigen. Schöner aber könnte ein gesellschaftliches Umdenken sein, da unsere neue Situation uns sehr deutlich gemeingesellschaftlichen Lücken aufzeigte.