2019 studierte ich an der Burg Giebichenstein in der Keramikklasse von Martin Neubert. Vorher war ich an der Holzbildhauerschule in Berchtesgaden und erhielt einen Abschluss als Holzbildhauerin. Anschließend absolvierte ich noch in Dalberg bei Schwerin eine Ausbildung zur Keramikerin.
Das Keramikstudium an der Burg ist sehr praktisch angelegt. Es gibt allerhand Werkstätten und viele Möglichkeiten sich mit den Händen auszuprobieren.
Ich widmete meinen ganzen Tag der Kunst. Auch ich hatte für die Keramikwerkstatt einen Schlüssel, so war diese für die Studenten und Studentinnen aus unserem Fachbereich jederzeit zugänglich. Es kam häufig vor, dass ich dort den ganzen Tag verbrachte. Manchmal kochten die anderen Studenten und ich abends gemeinsam in der Teeküche. Nach dem Essen und konnte ich mich oft noch mal mit meinen Objekten beschäftigen. Für mich war damals wichtig, dass ich mich jederzeit an meinem Arbeitsplatz aufhalten konnte. Das war richtig gut!
Ich pendelte jede Woche von der Ostsee nach Halle, um in der Keramikklasse zu studieren. In Halle lag mein Focus komplett auf dem Studium, während mein anderes Leben – mein privates – in Mecklenburg stattfand. Es gab in Halle fast keine Ablenkung vom Geschehen an der Burg und so konnte ich teilweise 12 Stunden am Tag arbeiten. Wenn ich an »etwas dran war« und mir die Finger juckten, konnte ich oft nicht aufhören. Dann entstand so etwas wie ein »Rausch« oder eine glückliche Schaffensphase. Das hat mir große Freude bereitet. Das Herzstück an der Burg war neben der praktischen Arbeit in den Werkstätten der Austausch mit den Professoren und meinen Kommilitonen. Wirkliche Gespräche sind für meine Arbeit wichtig und durch Nichts zu ersetzten. Mit meinen Professoren habe ich mich ein bis zwei Mal in der Woche getroffen, um über meine Objekte und Zeichnungen zu sprechen. Auch der ständige Austausch mit meinen Mitstudierenden, meiner Klasse, war für mich sehr wichtig. Wir konnten so viel voneinander lernen und uns gegenseitig kritisieren – im positiven Sinne.
Als die Pandemie begann, war es komisch mit Maske in der Keramik zu arbeiten. Das hielt mich aber nicht davon ab, genau das zu tun. Während draußen die Angst und Panik immer größer wurden, zog ich mich in die Werkstatt der Burg zurück, um einfach das weiter zu machen, was ich gerne mache. Ich hatte selbst keine Angst vor dem Infekt. Es hielt mich also nichts davon ab, in der Schule künstlerisch zu arbeiten. Die Teilnahme an Seminaren sowie die Werkstattnutzung waren am Anfang noch freigestellt. Später wurden Veranstaltungen und Konsultationen zuerst auf ein Minimum reduziert, dann komplett eingestellt. Wir durften uns nicht mehr treffen und nicht mehr miteinander kochen. Es war nur einer gewissen Anzahl von Menschen erlaubt, die Werkstatt zu betreten. Die Masken und der Sicherheitsabstand waren in den Räumen der Hochschule selbstverständlich. Alles, was noch monatelang blieb, war der fast freie Zugang zur Werkstatt. Alle Lehrveranstaltungen fielen dann aus. Wir versuchten uns online zu treffen um Arbeiten zu besprechen, aber das war und ist einfach nicht das Gleiche wie ein gemeinsames Arbeiten und Leben in Werkstatträumen.
Wir als Künstler, die mit den Händen arbeiten, saßen jetzt vor dem Rechner und haben über den Bildschirm versucht, weiter zu machen. Das war für mich sehr herausfordernd, denn ich kenne mich mit Computer, Photoshop und Indesign wenig aus. Da fehlte mir jede Leichtigkeit im Tun! Ich als »körperlich gerne arbeitender« Mensch sollte nun sechs Stunden auf meinem Stuhl am PC sitzen.
Zu Beginn habe ich die Situation gar nicht ernst genommen. Ich dachte, da wird jetzt ein riesiger Wirbel gemacht, um irgendein Thema, was die Welt erschüttert und die Menschen in die Angststarre versetzt.
Ich habe oft beim Arbeiten die Maske vergessen und habe mich sehr schwergetan, mich daran zu gewöhnen. Dadurch bin ich viel angeeckt. Die gesamte Situation in der Keramik spitzte sich zu. Der Austausch unter uns Studierenden wurde immer weniger, dafür mehrten sich die ängstlichen, isolierten Blicke.
Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen den Studierenden, den Mitarbeiterinnen im Fachbereich der Keramik und es bildeten sich Fronten. Plötzlich waren da unüberwindbare gegensätzliche Meinungen. Da gab es eine Gruppe, für die Corona »weniger schlimm« war und jene Menschen, die große Angst davor hatten. Es wurde über die Auflagen, den Sinn und vieles mehr diskutiert. Diese Auseinandersetzungen waren für mich ziemlich schlimm. Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen, ich mag es, wenn die Energie in einer Gruppe ins fließen kommt und etwas Kreatives dabei entsteht. Das war alles weg – und das an einer Kunsthochschule!
Ich fragte mich immer, wann sprechen wir über das, um was es eigentlich bei Corona geht – die Spaltung der Menschen. Wenn echte Verbindung zwischen den Menschen da wäre, würde man sich nicht so gegeneinanderstellen.
Es hat mich tief getroffen, dass so wahrzunehmen und in diesem Spannungsfeld zu leben.
Ich habe die Freude daran verloren in der Keramik zu arbeiten, die Kreativität floss einfach nicht mehr. Nicht nur bei mir, bei allen. Gefühlt war da plötzlich ein Stillstand. Der Lockdown bezog sich nicht nur auf das äußere Leben, auch in der Kunst war er für mich spürbar. Ich sah das als Einladung zur Innenschau, es ging erst einmal nicht mehr darum, etwas auszudrücken, sondern darum, zu erforschen wie es in mir zuging, was für Themen waren da, die angeschaut werden wollten. Ich hatte keinen Drang mehr, kreativ zu sein, in das Außen zu gehen, dafür war keine Energie mehr da.
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich jeden Morgen zu einem gemeinsamen Lied aufgefordert, draußen im Burghof unserer alten wunderbaren Hochschule. Eine kleine »Andacht«, in der Hoffnung, dass sich die Herzen der Menschen wieder öffnen und wir…
Mein Alltag hat sich extrem gewandelt. Ich bin Ende des Jahres 2020 schwanger geworden und brachte im September 2021 meinen Sohn zur Welt. Ich zog nach Mecklenburg zurück und bin gerade in der Babypause. Das Studium habe ich nach dem Vordiplom unterbrochen.
Diese Prüfung war für mich sehr wichtig, weil es wie ein kleiner »Abschluss« war, mit dem ich erst einmal eine Zeit lang pausieren konnte. Es war eine Prüfung der besonderen Art. Normalerweise gestalten die Prüflinge eine Ausstellung und zeigen, was sie in den ersten Jahren des Studiums entwickelt haben. Es wird zusammen aufgebaut – man fragt und antwortet, kritisiert und schwatzt. Zu Coronazeiten durften keine Ausstellungen stattfinden, so fand diese Prüfung online statt. Ich habe ganz allein in der Burg an meinem Arbeitsplatz eine kleine Ausstellung aufgebaut und einen Film davon gedreht. Erst habe ich mit dem Handy geprobt. Anschließend habe ich mir eine gute Kamera geliehen und versucht, eine kleine Dokumentation über meine Objekte zu machen. Ich habe tagelang daran gearbeitet. Die Burg war ganz still, niemand außer mir war dort. Der Film erschien mir als einzige Möglichkeit einen Einblick in meine Arbeitsweise zu geben. Fotos, so schien es mir, konnten dem ganzen Geschehen in einer Keramikwerkstatt nicht gerecht werden. Es war ein langer Prozess, herauszufinden, wie es möglich sein kann in drei Minuten still dastehende Keramik zu zeigen, und den Zuschauer dennoch eine spannende Ausstellung zugänglich zu machen. Das war richtig schwer, gerade mit einem hohen künstlerischen Anspruch. Es ist ein Prüfungs-Filmchen entstanden – aber auch die Erkenntnis gewachsen, dass »Filmemacher« auch ein Vollzeitstudium ist. Ich als Laie habe durch das Drehen mit der Kamera sehr viel gelernt. Ich hatte mich vorher noch nie mit dem Filmen auseinandergesetzt, nicht hinterfragt, wie man richtig gute Dokumentationen macht und diese bearbeitet. Also habe ich einen Fotoshop-Kurs besucht, online natürlich, und jemanden gefunden der mir zeigte, wie man Filme schneidet. Das war eine wirklich tolle Erfahrung.
Ja, das Format des Studiums hat sich bedingt durch Corona wirklich verändert. Es öffnete auch Türen und den Blick für Neues und brachte mich in Kontakt mit Dingen, die mir bis dahin unbekannt waren. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe jetzt richtig gute Fotos und einen Film den ich gerne zeige.
Ich lebe mit meinem Partner Franz und unserem Sohn Johan in Mecklenburg auf dem Land. Wir leben auf einem Gehöft in einer Großfamilie. Wir bestellen den Garten, pflanzen Bäume, feiern die Feste, die zur Jahreszeit gehören. Ich habe mir hier eine kleine Keramikwerkstatt eingerichtet und freue mich schon, wenn ich wieder dazu komme die Hände in den Ton zu stecken. Johan muss noch etwas älter werden, damit ich einige Stunden am Stück in der Werkstatt verbringen kann. Ich führe ein einfaches Leben und Corona als großes Thema der Gesellschaft beeinträchtig mich weniger.
Es gibt mir Kraft, wenn ich mir jeden Morgen Zeit nehme für ein kleines Gebet und mir vergegenwärtige, dass nichts selbstverständlich im Leben ist – nicht mal, dass die Sonne am Morgen aufgeht. Ich entscheide jeden Morgen, ob ich den Tag in seiner Schönheit erkennen kann.
und die Liebe zum Leben und sich selbst wieder entflammen können. Ich wünsche mir ein friedvolles Miteinander und eine echte Gemeinschaft im großen Sinne.