Lilo C. Karsten

Multimediale Künstlerin

 

ZEICHNEN IST GLÜCK

Das ist der Titel meines kurzen Filmportraits, das ich mit Freunden zusammen erarbeitete. Das bedeutet für mich, seit Anbeginn meines Lebens-Künstlerinnen-Daseins in jeder Situation, unterwegs und zu Hause im Arbeitsraum, gute Momente, auch wenn sie manchmal holprig oder schwierig sind. Zeichnen zu können macht mich glücklich.
 Zeichnen ist etwas mitteilen, etwas mit den anderen teilen, mit jenen die das Werk dann anschauen. Bei »dringenden« Mitteilungen kommt zum Zeichnen das Schreiben hinzu. So entstehen Künstler-Bücher in schwarz-weiß oder in Farbe mit eigenen Texten. Als im Frühling 2020 durch die Pandemie die große Stille verbreitet wurde in der großen Stadt Berlin, habe ich mich auch mit Worten mitgeteilt.
 An meinem Geburtstag im März 2020, als eine Feier nicht möglich war, fing ich mit einem Künstler-Buch an. Schwarze Kreide auf weißem Papier. Darin sammelten sich Zeichnungen, Texte, Beobachtungen. Die einzelnen Seiten die über Monate hinweg entstanden, fotografierte ich und schicke sie per Mail an die graphische Sammlung Stadtmuseum Berlin. Dort wurden sie digital Stück für Stück veröffentlicht. So war es möglich, meinen Arbeitsprozess am Buch zu verfolgen bis zur Fertigstellung.
 Die Arbeit an meinen Bildern auf Papier und Leinwand war farbiger und wurde auch fortgesetzt,
 malerisch und zeichnerisch. Ruhe um gab mich, und vielleicht steigerte sich meine Konzentration beim Arbeiten.
 Es war eine Veränderung, das habe ich schon immer auch als Chance begriffen, so auch in dieser Zeit.

 

B E R L I N  2 0 2 0

 

»die zeit ist aus den fugen«

hamlet

Die Welt im eigenen Rhythmus
Der Strom der Zeit leise
Keine Furcht vor den Märzstürmen
Vor meiner Tür ein Gleichmaß an stimmen und schritten
Morgens um acht
Graue Fassade im Sonnenlicht –
Männer mit Maulkorb unterwegs…

Die Welt seltsam bevölkert mit menschlichen Wesen
Was tun Sie?
Was fühlen Sie?
Was macht sie glücklich?

Die Geräusche und die Geschwindigkeiten dieser Großstadt beschäftigen mich
Und die Verwandlung der Welt?

Ganz ohne Ungeduld den letzten Tag des dritten Monats beginnen

Zwischen den Hügeln meiner Schreibtischlandschaft ruht der Kater
Verwandele dich!
Wo bleibt der Prinz…

Kinder
Himmel und Hölle im zweiten Hof
Und alle dreimal täglich ins demokratische grün…

Ecke Zillestraße
Balkon Konzert mit Friedrich Kurz,
Singen
Küssen
Tanzen…Nur alleine
Mein rechter rechter Platz ist leer…

Weniger Straßenbegeher im Kiez
Die Stadt wie ein großes verlassenes Haus
(einige Schlafwandler am Vormittag)

Tage ohne Namen
Tage ohne Sprache
Tage ohne Pflicht
Glanzlos der Himmel zwischen grau und blau
Der schnelle Schneider näht keine Kleider…
(Masken?)

Nach dem Regen das Geräusch des Rinnsals am Bordstein

Neun Tage weiter
Und die Eisheiligen sind Geschichte 2020

Seltsamer Traum vom Fliegen –
Ein Mann auf der Goldelse Winkt mit einem himmelblauen Handschuh –
Gedankenströme fließen in jeden Winkel der Stadt

Beim ersten Sonnenstrahl zerfällt mein Mann aus Sternenstaub –
Eine hungrige Katze steigt in den Morgen hinaus
(ebenfalls erwacht)

Die Stadt aber schläft scheinbar auch am Tag
Nur unermüdliche Hundebesitzer auf dem Weg Richtung Tiergarten

Klagen ziehen langsam durch geschlossene Türen herein
Lindenblütenflocken treiben am Himmel
Schneefall bei 22°+

hinter mir rauscht die stadt vor mir rasen zwei mauersegler über die nummer neun

Erster Schlösser öffnen im Mai
Prinzen aber singen nicht!

Möchte auf dem Wasser der Spree das Weite suchen
Das Paradies wird bescheiden in dieser Zeit

November
Morgen Nebel im Kiez
Wortwechsel am Kiosk –
Lächeln werden kaum sichtbar vergeben

Ist die Welt noch zu zähmen?
Sind die Teppiche ausgerollt? Amateure am Ziel?

Geistesblitze in Herbst
Und Winter
So genannte Mangelware –
Ruhe auch im Zucker Club

Gespenster auf den Bühnen der Stadt
Und Ruhe in Tegel,
Chaoshüter Unterwegs im Park!

Laubderwische Tanzen ums weiße Haus
Herbst in W.
Neun Personen schützen den Trump im Schlaf
Bis er sich erhebt und spurlos verschwindet
(von übersee nach übersee)

Mein Arbeitspensum erhöht,
Der Schrank verschlossen, keinen Schlaf gefunden in der Nacht –
Wohin mit Zorn + Kummer?

Nur nicht den Verstand verlieren in dieser völlig verrückten Stadt

Keine überfüllten Straßen in der Metropole
Auch zu Hause wenige Besucher zu erwarten im Dezember…
Unser Straßendorf Charlottenburg eingeschlafen…
Am 9. Dezember nur eine Wachtmeisterin mit Kollege unterwegs…

Das Licht der Kerzen zuckt über die Wand am 24.12.2020
Kein Besuch
Das unbezwingbare Bedürfnis andere zu berühren wird nicht gestillt
Singen bis die inneren Gärten blühen…

Und Roland mit dem Fährmann fort
Da hilft auch keine Welt Erfahrung…
Der Tisch hat Hundefüße und im Universum pulsiert ein roter Überriese
Am Dach gegenüber kleben
Winterwolken

Ohnmächtige Zeugen der Wirklichkeit,
Redselige Nachbarn sehnen sich nach dem alltäglichen Dasein

Schläfrige Luft da draußen
Seit gestern
kein Kind
kein Reh
kein Mann
Welt Getöse abgeschafft?
Immer noch regiert Corona mit unnachgiebiger Hand im winterlichen Berlin

Die klaren Gedanken verborgen
Und es fehlen vertraute Gesichter am Mittagstisch
Heimarbeit
Das Schöne und das Schwere
Die Lehrer geschrumpft
Herum getragen wie Spielfiguren

Lückenhaftes wissen um die Mutanten in der Charité –
Solln wir im sechsten Buch Mose
Hilfe suchen ???
Die Mutante 117 ein trauriges Continuum
Und Fortuna?
Und der heilige Geist?
Und die Impflinge ?

ENDE

 

»vielleicht ist doch alles nur ein Traum«

Calderon